Richti Areal in Wallisellen bei Zürich
Dass bei Stadterweiterungen, das aus dem vorlezten Jahrhundert stammende Konzept des Blockrandes angewendet werden, ist im Prinzip richtig. Blockrandgebiete sind sehr beliebt man denke nur schon an Paris, Barcelona, den Kreis 4 in Zürich oder das Quartier Kleinbasel in Basel. Sie bringen, trotz der a prima Vista formalen Gleichheit, im Gegensatz zur formalen Vielfalt der Streubauweise, urbane Öffentlichkeit in den Aussenraum und als Kontrast dazu nachbarliche Privatheit im Innenhof .
Die Gretchenfrage lautet warum ist das so? Die Antwort lautet: Es sind die für den Fussgänger wohldefinierten Aussenräume wie Strassen und Platze welche Geborgenheit erzeugen und somit zum aufenthalten einladen. Die Sichtbeziehung der Bewohner zu den belebten Strassenräumen und zu den ruhigeren Innenhöfe sowie zu den Naschbargebäuden, welche ein Gefühl sowohl des Zu Hause Seins und zugleich auch des Dabei Seins erzeugen. Bereichernd hinzu kommt noch die räumliche und volumetrische Hierarchieabwesenheit solcher Quartiere welche implizit ein Nachbarschaftsgefühl hervorrufen. Ein weiterer Effekt welcher die geschlossene Bauweise erzeugt ist die räumliche Führung der Fussgänger , sie sehen wohin sie sich bewegen, mit einem wohltuendem Gefühl nichts zu verpassen. – Eben weil sie durch die Häuserfassaden geführt werden, und bei jeder Kreuzung entscheiden können in welcher Richtung sie gehen müssen oder flanieren können. Und das sind diese Interaktionsmöglichkeiten, von Fussgänger zu Fussgänger, von Fussgänger zu Automobilist, von Bewohner zu Bewohner, und Fussgänger zu Bewohner, Fussgänger zu Laden-, Restaurant-, oder Dienstleistungsbetreiber welche letztendlich Urbanität erzeugen. Zusammenfassend das grosse Plus der geschlossenen Siedlungstechnik ist eben dieses doppelte Erlebnis sowol der Urbanität gegen die Strassenseite wie auch der Privatheit gegen die Hofseite.
Wie erlebt sich das Quartier Richti als Besucher?
Nachdem ich seit zwei Jahren, in der Presse und Büchern von Städtebautheoretikern gelesen habe, wie geplant werden muss, dass auch richtige Urbanität ensteht, – und in Wallisellen nun seit einiger Zeit ein solches Quartier steht, wollte ich es mal wissen, und bin im September 2016 ca. um 15 Uhr, voller Vorfreude zuerst durch das quirlige Glattzentrum in Richtung Richti Areal geschlendert, in der Hoffnung, laut Theorie, ein noch quirligeres Quartier Richti anzutreffen. Kaum auf der anderen Strassenseite angekommen begegnete ich auf rechten Seite die blinde Schaufensterfront von einer Coop Filiale und auf der linken Seite ebenfalls eine blinde Glaswand anliegend an eine überdimensionierten Bar welche vollkommen leer war. In diesem Sinn geht es weiter Richtung Richtiplatz links und rechts und anschliessend, in der Richtiarkade sind die Schaufenster nicht blind. Hinter diesen befinden sich verschiedene Gastrobetriebe welche zum Teil vollkommen überdimensioniert wirken, – und wegen der gähnenden Leere mit zum Nichtstun verurteiltes Servicepersonal bestückt sind. Gleich gegenüber dem Richtiplatz an einem strategischen Ort auf der rechten Seite befindet sich ebenfalls eine blinde Schaufensterfront einer Migrosbankfiliale.
Die zwei kleineren städtebaulichen Kategorienfehler an diesem Ort: die Materialisierung und die Massstäblichkeit der Erdgeschosse
In der Einkaufsstrasse der sogenannten Richtiarkade zirkulieren fast keine Passanten und was sofort ins Auge sticht; das wirtschaftliche Niveau, der Läden entspricht in keiner Weise der teuren Materialisierung der Ladengeschosse. Mit anderen Worten das Erdgeschoss der Überbaung Richti ist “overdressed”.
Auch die Dimensionen der Schaufenster mit den grossflächigen und teuer eingefassten Gläsern läd nicht zum reingehen ein. – Eigentlich dasselbe Problem wie bei der Überbaung Europalee in Zürich und bei den Sunrisetowers in Oerlikon. – Hier wurde eindeutig ein Kategorienfehler in Bezug der Masstäblichkeit und der Materialisierung der Erdgeschosse begangen. – Wir befinden uns in Wallisellen und nicht in der Nachbarschft der Galleria Vitorio Emanuele in Mailand, auch nicht der Parkavenue in N.Y. oder der Ramblas in Barcelona. Die Erdgeschosse möchten gerne grosstädtisch wirken was föllig deplaziert ist, die Richtiarkade ist Menschenleer und strahlt somit eine triste Zombie Urbanität aus. Die Migrosbank im Erdgeschoss eines an sich strategischen Punkt der Überbauung, mit seiner abgedeckter Schaufensterfront, interpretiere ich als Verzweiflungsakt des Vermieters. Gesehen habe ich auch, dass im Erdgeschoss der Allianz mit der Einrichtung von Arztpraxen, weitere blinde Schaufenster am enstehen sind. – Es ist eine altbekannte Tatsache: tote Schaufenster sind für eine Einkaufsstrasse Gift, der Passant wechselt sofort die Strassenseite. Was an den Ladenfronten zu viel an Aufwand an Entwurf und Materialisierung getrieben wurde, wäre gescheiter in eine durchdachte Gestaltung der Fassaden der Obergeschosse und der Innehöfe investiert worden, diese sind allesammt trostlos. Vom Allinzgebäude ganz zu Schweigen, diese Fassaden sind in typisches Beispiel von einer Architekten Selbstverwiklichungsmentalität: – “Sich ja nicht dem Kontext anpassen, sonst publiziert niemand mein Oevre” – Neuerdings nennt man solche Architektur – “Birdshit architecture” – Da tragen auch die Gehwegkurven im Rasen nichts zur Wohnlichkeit dieser bei; auch akustisch sind die Innenhöfe nicht durchdacht, man höhrt jedes Geflüster der gegenüberliegenden Wohnungsaussenräume.- Nicht um sonst sind auch diese Innenhöfe fast menschenleer.
Der grosse städtebauliche Kategorienfehler an diesem Ort: der Blockrand
Der Inbegriff von europäischer Urbanität ist der Blockrand. Damit ein Blockrand Urbanität erzeugt braucht es ein System, oder anders gesagt die Blockränder müssen sich über eine grössere Fläche addieren um Synergien zu erzeugen, welche in sich genügend “Verkehr im weitesten Sinn” erzeugen und so durch seine Lebendigkeit auch Menschen von anderen Quartieren anzieht. So wie es z.B. mit den Leuten welche in der Europalee in Zürich wohnen, aber im Ausgang lieber in den lebendigen Kreis 4 gehen als in ein Restaurant im eigenen Quartier aufzusuchen. – Für die Erreichng von lebendigen Strassen gilt die goldene Regel: diese müssen immer von einem Ausgangspunkt zu einen Ziel führen oder auch vice versa. – Auch Manhattan ist, wenn auch ohne Inenhöfe ein System von Blockränder. – Und genau diese Systemlosigkeit ist der grosse Kategorienfehler beim Richtiareal. Das Richtiareal ist ein Blokrandsolitär, welcher auf alle 4 Seiten hin, ins Niemansland führt. Es gibt auch in Zukunft auf alle 4 Seiten hin, keine Andockmöglichkeiten für weitere Blockränder welche das Ganze zu einen System werden lassen könnte. Da teuscht auch das möchtegern “Mailandfeeling” nicht darüber hinweg, dass es sich hier lediglich um ein Suburb handelt, welcher nie richtig leben wird. Die Wohnungszugangstrassen Richtistrasse, Konradstrasse, Escherweg und der Favreweg, strahlen eine eimalige Langeweile aus, verursacht, durch die Menschenleere, Ziellosigkeit und abstossend wirkende Fassaden, welche keinen Hauch von menschlicher Nachbarschaft aufkommen lässt. Das gleiche Argument kann auch für die Fassaden der Innenhöfe der Blockränder gebracht werden. Mit Ausnahme des Konradhofes wo aber die Hofakustik vergessen wurde.
Der urbane Ettiketenschwindel
Das Hauptaugument für die geschlossene Siedlungstechnick, also ist eben seine sich selbst generierende Urbanität. Eine Eigenschaft welche bei offenen Siedlungstechniken nicht generiert werden kann, obwohl diese in Bezug auf Orientierung, Besonnung und Aussicht der geschlossenen Siedlungstechnik hoch überlegen ist. Bei den Blockränder gibt es a priori meistens nur eine Seite des Vier- oder Dreiecks welche in Bezug auf Aussicht, Besonnung previlegiert ist, die anderen Seiten sind unterprevilegiert.
Eine Unterprevilegierung jedoch, welche bei einem funktionierendem Blockrandquartier gerne in Kauf genommen wird, eben weil einem auf der Strassenseite das angenehme urbane Dabei Sein erwartet und zum Hof hin das beruhigende nachbarschaftliche zu Hause Sein erwartet. Eigenschaften , welche man auf den ganzen Richti Areal in keiner weise erleben kann und wird. – Somit ist das Projekt Richti ein Etikettenschwindel.